Eine halbe Ewigkeit

Ildiko von Kürthy
Eine halbe Ewigkeit
Rowohlt Wunderlich
Cora Hübsch, Fotografin, 54 3/4 Jahre alt, steckt in der Dauer-Melancholie-Schleife fest. Die Kinder aus dem Haus, Arthrose im Knie, Ehe alt, vom Joggen aufs Walken umgestiegen, tags müde, nachts schlaflos, sie brennt nicht mehr, sie schwitzt nur noch und steckt mitten in den Wechseljahren.
Als ihr jüngstes Kind John nach England ans College geht, bricht Coras Welt zusammen. Sie beschliesst, ihr Leben zu entrümpeln. Aber als der Altpapiercontainer, ein Abschiedsgrossbehälter, übervoll ist und ihre Kiste mit Papierkram zu Boden fällt, bricht sie schluchzend zusammen. Aus der Kiste fällt ihr Tagebuch mit dem Titel «Mondscheintarif», welches 25 Jahre verschwunden war.
Gedankenversunken sitzt sie am Boden, als ein gigantischer Hund namens Dagmar sie plötzlich anstupst. Dagmar gehört Wanda, einer Schauspielerin, die Cora vor langer Zeit bei Dreharbeiten fotografiert hat. Als Cora erfährt, dass Wanda und ihre Partnerin Ruth an diesem Wochenende heiraten und die Fotografin ausfällt, springt Cora kurzentschlossen ein. Sie hat ja ausser Wäsche sortieren, gerade nichts Spannendes vor. Dem Himmel sei Dank, dass er Wanda und diese herrliche Ablenkung geschickt hat.
In der nächsten Nacht findet Cora kaum Schlaf. Es kann kein Zufall sein, dass ihr das alte Tagebuch an dem Tag wieder in die Hände fällt, an dem ihr Sohn den grossen Schritt ins Leben hinauswagt und das Muttersein eine andere Dimension bekommt. Jetzt wo sich der Sturm legt, Kopfläuse, Brotdosen, Kinderkrankheiten und Lernentwicklungsgespräche der Vergangenheit angehören. Nachdenklich fährt sie am nächsten Morgen an die Ostsee auf den Gutshof «Zwischen den Wassern», wo die Hochzeit stattfinden wird. Auf dem Hof trifft Cora unerwartet auf ihre grosse Liebe Daniel, und ihr Leben gerät aus den Fugen. Niemals hätte sie sich ein Wiedersehen mit ihm gewünscht, denn zu schmerzvoll sind die Erinnerungen an die Trennung. Jetzt wo Cora im inneren und äusseren Chaos feststeckt, scheint es an der Zeit, die Vergangenheit aufzuarbeiten. In ihrem Tagebuch «Mondscheintarif» fehlte 25 Jahre lang das letzte Kapitel. Nun kann Cora es endlich beenden. Sie beginnt zu schreiben, wie ihr das Schicksal ihre beste Freundin Johanna nahm und es zur Trennung von Daniel kam.
Das farbenfrohe, lebendige Cover des Buches und die Tatsache, dass Ildiko von Kürthy die Autorin ist = Liebe auf den ersten Blick! Einige Bücher habe ich schon von ihr gelesen, so auch «Mondscheintarif», welches 2001 erschien. Gespannt war ich nun auf die Fortsetzung. Vorkenntnisse aus Mondscheintarif sind aber nicht zwingend nötig. Eine wundervolle Geschichte, in der sich jede Frau Mitte 50, die Kinder hat und verheiratet ist, wiederfindet. Emotional, kurzweilig und lustig beschreibt Ildiko von Kürthy das Frausein als Östrogenmangelwesen, schreibt über alte Zweifel und neues Selbstbewusstsein. Ich kann das Buch wärmstens empfehlen!
Ildiko von Kürthy (56) schrieb in 25 Jahren 16 Romane über unzählige Problemzonen. Sie ist Journalistin und eine der meistgelesenen deutschen Schriftstellerinnen. Sie lebt mit ihrer Familie in Hamburg. Ihre Bücher sind Nummer 1 Bestseller, wurden mehr als sieben Millionen Mal verkauft und in 21 Sprachen übersetzt. In ihrem Podcast «Frauenstimmen» spricht sie jeden zweiten Sonntag mit klugen, mutigen Frauen über ihre Erfahrungen, Einsichten, Ängste und Zweifel. Auch verfasst sie monatlich einen Newsletter, in dem sie schreibt, was sie bewegt, erfreut und belastet.
Regula Corciulo-Meister
Schul- und Gemeindebibliothek Wasen